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Twitter-Trump und das Whirlpool-Gesetz

Deutschland stöhnt, Deutschland schwitzt. Im Norden der Republik hat es mancherorts seit Mai nicht mehr geregnet, die längste Dürre-Periode seit über 140 Jahren. Und die Temperaturen für heute und morgen versprechen Rekordwerte um die 38 Grad. Wie gut, dass das Gros der Menschen – den Kühlschränken gleich – im Holiday-Modus agiert. Die Hausaufgaben sind ja auch gemacht: Die Euronics Summer Convention in Palma de Mallorca (es war kühler als hier) sind genauso gelaufen wie die „ gfu insights & trends“ und die Media-Briefings zur IFA in Berlin (so nass wie selten).

Die einzigen Tiefdruckgebiete kommen derzeit alleine wie verlässlich von der anderen Seite des Atlantiks. Twitter-Trump mischt nicht nur das politische Establishment in Europa auf, er kassiert auch mal eben die Spielregeln, die die wirtschaftspolitische Weltordnung in den vergangenen Jahrzehnten trotz allem Wohl und Wehe einigermaßen in Balance gehalten hat.

Verheerende Nebenwirkungen ^

Doch mehr und mehr fällt dem Leugner des Klimawandels die „America first“-Politik auf die Füße – und dazu bedarf es nicht einmal europäischer Strafzölle auf Jeans, Whisky und Edel-Motorräder. Als Donald Trump im Januar dieses Jahres Zölle auf Waschmaschinen einführte, jubelt der US-Gigant Whirlpool, Mutter der traditionsreichen deutschen Marke Bauknecht. So hält man sich eben lästige Konkurrenten aus China (Haier) und Südkorea (Samsung, LG) vom Hals. Inzwischen jedoch dürfte den Whirlpool-Lenkern das anfängliche Lachen im Hals stecken geblieben sein, wird aus dem vermeintlichen Gewinner im eskalierenden Handelskrieg eher ein Opfer. Whirlpool ist dabei nur die Spitze des Eisberges, aber ein Paradebeispiel für die verheerenden Nebenwirkungen der Politik der Trump-Administration.

Whirlpool-Chef Jeff Fettig
Whirlpool-Chef Jeff Fettig

Dabei war für Whirlpool-Chef Jeff Fettig die Welt Anfang des Jahres noch in Ordnung. Jahrelang hatte der Waschmaschinenhersteller aus Michigan Druck auf die US-Regierung gemacht, ihn mit Zöllen vor der lästigen Konkurrenz aus dem Ausland zu schützen. Als Trump dann den protektionistischen Traum im Januar endlich erfüllte, fiel für die Manager von Whirlpool Thanksgiving Day und der Christmas Eve auf einen Tag.

Dazu muss man wissen: Vor gut elf Jahren hatte Whirlpool in den USA einen Marktanteil von rund 37 %, der Anteil von LG lag bei gerade mal zehn, der von Samsung war kaum sichtbar und lag bei einem Prozent. Doch mit neuem Design und Zusatzfunktionen – alle Jahre wieder auch auf der IFA in Berlin zu bestaunen – konnten die Konkurrenten aus Fernost ihren Anteil ausbauen, zumal den amerikanischen Modellen oftmals dieser Innovationsschub fehlte. So ist allein in den vergangenen fünf Jahren der Markt für Waschmaschinen in den USA um 35 % gewachsen – und die Importe haben sich seitdem verdoppelt. Samsung und LG kommen heute gemeinsam auf gut 30 %. Das macht nervös in einem Land, wo Premiummarken à la Miele wie hierzulande fehlen.

Ein bittersüßer Sieg ^

Die Einführung der Waschmaschinen-Zölle sei ein Sieg für amerikanische Arbeiter und Verbraucher gleichermaßen, zitiert der Nachrichtensender n-tv Fettig Mitte Juli. In Erwartung zusätzlicher Aufträge schaffte der Konzern 200 neue Jobs im Whirlpool-Werk in Ohio. „Präsident Trump wird eine neue Ära der Innovation für Verbraucher einleiten”, huldigte Fettig dem selbsternannten Handelsstrategen im Weißen Haus.

Man muss nicht Parteigänger der EU – gewiss in Sachen Protektionismus auch kein Waisenknabe – sein, um mit einer Armada an Wirtschaftswissenschaftlern, Ökonomen und Konzern-Lenkern über so viel mangelnden Sachverstand gemeinsam den Kopf zu schütteln.

Und so ist nicht nur bei Whirlpool die anfängliche Euphorie inzwischen längst verflogen. Denn die Zölle waren offenbar nicht der Auftakt zu mehr Jobs und höheren Gewinnen, sondern eher der Startschuss zu einer Welle des Protektionismus, der Whirlpool wie der US-Wirtschaft inzwischen immer heftiger zusetzt so sagen es nicht nur n-tv, sondern auch CNN und zahlreiche amerikanische Wirtschaftsexperten.

Die Waschmaschinen waren ja bekanntlich nur der erste Schauplatz im Handelskrieg, den die Trump-Regierung unverdrossen ausfechtet. Auf die Waschmaschinenzölle folgten im März Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte. Und im Juli traten die ersten Einfuhrabgaben auf chinesische Produkte in Kraft – der Handelskonflikt eskaliert. Zudem wird über Autozölle auf beiden Seiten des Atlantiks schon so lange diskutiert, dass das Damoklesschwert schon bald fallen könnte.

Whirlpool-Kurs im Sturzflug ^

Zurück zu den Waschmaschinen: Wie von vielen Propheten vorhergesagt, scheint Trumps Zollpolitik mittlerweile auf Whirlpool und die US-Wirtschaft zurückzufallen, die sie ja angeblich schützen soll. Ein ernüchternder Blick auf den Börsenzettel zeigt: Seit der Einführung der Waschmaschinen-Zölle ist die Whirlpool-Aktie um fast 20 % gefallen – Stand heute ein wirtschaftspolitisches Lehrstück über die Risiken und Nebenwirkungen, die Zölle für die Wirtschaft haben können. Man ahnt: Die US-Zoll-Vergeltung vernichtet am Ende womöglich mehr Jobs, als sie in den geschützten Sektoren retten kann und soll. Aber man ahnt schon die Antwort aus dem Weißen Haus: „Fake News!“

Bei Whirlpool werden aus den anfänglichen Lobeshymnen jedenfalls immer mehr Klagelieder, n-tv spricht gar von einem „Kollateralschaden“: Die Stahlzölle, mit denen Trump Jobs in der US-Schwerindustrie retten wolle, hätten die Rohstoffkosten von Whirlpool massiv erhöht. Der Gewinn sei im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um fast 40 % eingebrochen.

Die Rechnung zahlen Kunden und Händler ^

Schlimmer noch: Die Zölle haben die gefürchtete Konkurrenz aus Asien eher noch befeuert, denn sie zu lähmen. Um die Importabgaben für ihre Waschmaschinen zu umgehen, haben Samsung wie LG ihre Investitionen in den USA hochgefahren. Beide Unternehmen hatten schon vor den Zöllen Werke in den USA in Planung oder im Bau. Hinzu kommt: Gleichzeitig sind die Waschmaschinenpreise laut US-Arbeitsministerium für die Verbraucher um ein Fünftel gestiegen – der stärkste Anstieg in zwölf Jahren. Sowohl LG als auch Samsung begründeten ihre Preiserhöhungen mit den Zöllen.

Fakt ist: Die Vergeltung der Handelspartner, deren Firmen Trump treffen will, schadet den globalen Lieferketten und Absatzmärkten der US-Wirtschaft womöglich mehr, als die Zölle des Präsidenten ihnen nützen. Zudem dienen die Waschmaschinen-Zölle weniger dazu, unfaire Wettbewerbsbedingungen auszugleichen, als Whirlpool vor (allzu lästiger) Konkurrenz zu schützen.

Kommt man auf der anderen Seite des Atlantiks also langsam zur Vernunft? Das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Der aufziehende Handelskrieg mit China droht die eher schlechte Lage noch zu verschlimmern. Denn bekanntlich steckt auch in Waschmaschinen jede Menge Globalisierung, im konkreten Fall Elektronik, die nicht selten aus dem Reich der Mitte importiert wird. Wenn Trump auch diese mit Zöllen künstlich verteuert, zahlt nur einer die Rechnung: Die Kunden und damit auch die Händler von Whirlpool.

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