Story

Der Verkauf im Realitätscheck: Schallende Ohrfeige!

„Hat sich Ihr Leben ohne Schlecker und ProMarkt verändert?“, Elmar Fedderke, Geschäftsführer Walgenbach.
Digitale Transformation, Multichannel-Handel, vernetzte Innenstädte: Das Einkaufen verändert sich mit atemberaubender Geschwindigkeit. Die Debatte darüber, wie der Handel sich auf die neuen Einkaufsgewohnheiten einstellen muss, läuft aufgeregt, mit Schnappatmung. Für Unternehmensberater, die das Wort Multi- oder Omnichannel fehlerfrei buchstabieren können, aber eine echte Goldgrube. Und es laufen ja auch fast alle wie die Lemmige mit, überbieten sich – Branchen-, Verbundgruppen- und Kooperationenübergreifend – an durchdachten Multichannel-Konzepten für einen reüssierenden Online-Handel!

Die Multichannel-Falle ^

Doch darüber schütteln andere immer mehr den Kopf. „Fast alle machen 08/15-Strategien, die in die Katastrophe führen“, befürchtet Dr. Andreas Brill, Geschäftsführer von Business4Brand in Duisburg, im infoboard-Gespräch. Brill warnte einige Tage zuvor – anlässlich des diesjährigen eCommerce-Tages in Wuppertal – eindrücklich vor einer Multichannel-Falle: Er kritisierte die dabei oft vorgenommene Gleichsetzung von Digitalisierung mit eCommerce. Händler denken heute, sie müssten unbedingt in die digitale Sphäre gehen, dabei seien dort selbst viele vermeintliche Benchmarks rückläufig.

Seiner Einschätzung nach landen die meisten Einzelhändler durch eCommerce eher in einer Art Multichannel-Falle, da der organisatorische Aufwand und die Kosten stiegen, der Ertrag aber angesichts einer schier übermäßigen Konkurrenz durch Player wie Amazon & Co. eher gering sei. Brill: „Es geht nicht um e-Commerce. Kunden kaufen nicht online, weil sie online kaufen wollen. Sie kaufen dort, wenn sie Lösungen finden, die für sie um ein Vielfaches besser sind als bisherige Lösungen.“ Sein Ratschlag: „Setzen Sie nur auf Lösungen, die für den Kunden einen echten signifikanten Unterschied machen! Kein Kunde braucht noch einen Onlineshop. Arbeiten Sie subtraktiv: Reduzieren Sie Ihr Format auf das, was wirklich (noch) gebraucht wird.“

Welche Zukunftskonzepte gibt es für den Handel? Der eCommerce-Tag in Wuppertal versuchte sich an Antworten.
Welche Zukunftskonzepte gibt es für den Handel? Der eCommerce-Tag in Wuppertal versuchte sich an Antworten.

Der Mensch macht den Unterschied ^

Richtig ist aber auch: Ohne Information zum Produkt und seiner Verfügbarkeit, ohne Online-Inspiration und Rezensionen geht heute niemand mehr einkaufen. Eine Website ist also erforderlich. Ist das stationäre Ladengeschäft also doch bald ein Auslaufmodell? Sicher nicht. Zumindest wenn sich der Handel auf seine Kernkompetenz besinnt, hat er seine besten Tage noch vor sich.

Seine Kunden verstehen, seine Kunden binden, für seine Kunden Relevanz haben, ihn also individuell abholen und die Digitalisierung intelligent nutzen, sind Erfolgsbausteine, die anlässlich des „29. Handelsforum Ostwestfalen – Lippe“ im Focus der Vorträge standen. Die Kernbotschaft der meisten Referenten, darunter Neuromerchandiser Achim Fringes, Walgenbach-Geschäftsführer Elmar Fedderke und Dr. Eva Stüber, Leiterin Research und Consulting beim IFH Köln: Das Personal, die Menschen im Verkauf machen den Unterschied. Und eben nicht an erster Stelle das Produkt mit seiner Anfassqualität.

„Die Mitarbeiter sind ein wichtiger Faktor zum Erfolg“, sagt Achim Fringes. Für Walgenbach in Düsseldorf-Eller heißt das: „Unsere Kunden müssen auf den ersten fünf Metern im Geschäft begrüßt werden“, so Elmar Fedderke. Und: “Jedes Mitglied des Teams grüßt jeden Kunden – mindestens durch Kopfnicken. Der persönliche Kontakt ist die Chance, die wir haben. Das kann das Internet nicht!“ Wenn Kunden generell ein Geschäft oder den Kanal wechseln, liege das zu 86% am Verhalten der Menschen: an der Gleichgültigkeit der Verkäufer, an ungenügenden Auskünften, an der Unhöflichkeit der Verkäufer oder an nicht eingehaltenen Zusagen. Fedderke: „Die Amazonisierung ist nicht das Grundübel. Warum nicht einfach besser verkaufen?

„Kuscheln Sie mit Ihrer Ware!“ ^

Das Verkaufen sei angesichts immer anspruchsvollerer Kunden, explodierendem Warenwissen und Alternativen, die immer nur einen Mausklick entfernt sind, eine Hochleistungsdisziplin. „Wir sind gänzlich austauschbar. Oder hat sich Ihr Leben ohne Schlecker und ProMarkt verändert?“ Fedderkes Handlungsempfehlung: Die Summe aus vielen Kleinigkeiten – dazu gehört auch eine Digitalisierungsstrategie als Kundenbindungsstrategie! – macht den Unterschied. Den Trends ohne Hysterie und Aktionismus begegnen. Sowie sinnvolle Schritte in die virtuelle Welt unternehmen.

Das Einkaufen vor Ort sei wesentlich mehr als der Tausch Ware gegen Geld. Fedderkes Ratschlag für erfolgreiches Verkaufen: „Emotionalität, Problemlösung und Wunscherfüllung schaffen Kundenbindung. Und nicht die technischen Daten eines Produkts!“ Zugespitzt: „Kuscheln und schmusen Sie doch mal mit der eigenen Ware. Ein wenig QVC kann beim Verkauf nicht schaden.“

Aber was erwarten Konsumenten, wenn sie ein Geschäft betreten? Wie gut werden Händler diesen Anforderungen gerecht? Die Studie „Catch me if you can – wie der stationäre Handel seine Kunden einfangen kann“, die Dr. Eva Stüber anlässlich des Handelsforums in Bielefeld vorstellte, stellte der Branche kein gutes Zeugnis aus. Mehr noch zeigt die Studie deutlich, dass weniger Amazon & Co das Problem im Handelsalltag sind, sondern das Personal. 2.500 Konsumenten wurden zu Fashion-, Elektronik-, Bücher-, Spiele- und Sportartikelkäufen befragt. Die Ergebnisse zeigen, wie groß der Handlungsbedarf an den Schwachstellen Sortiment, Verfügbarkeit und Beratung ist. Über alle Branchen hinweg sehen Konsumenten Luft nach oben.

Ins Verkaufspersonal investieren ^

In puncto Beratung zeigt die Analyse die Diskrepanz zwischen Anspruch und gefühlter Wirklichkeit der Konsumenten: Acht von zehn Elektro-Shoppern wünschen sich vom Verkaufspersonal zusätzliche Informationen zu den gesuchten Artikeln – aber nur 65% sind in dieser Hinsicht zufrieden. Gerade für Elektronikhändler sei es entscheidend, deutlich in die Expertise des Verkaufspersonals zu investieren. Denn Elektronikartikel werden häufig gezielt – und somit von hervorragend vorab informierten Konsumenten – gekauft, wie die Studie bestätigt.

Bei den Gründen für einen Online-Kauf sticht die Consumer Electronics in der Studie heraus. Das hat auch damit zu tun, dass rund 30 % der CE-Käufer ihre Online-Bestellungen mit dem Wegfall des Heimtransportes begründen. Doch für Kühlschrank, Backofen und TV sind nicht nur die Größe und Sperrigkeit charakteristisch, sondern auch ihre Erklärungsbedürftigkeit. „Aufgrund der hohen Erklärungsbedürftigkeit vieler Produkte, besteht eigentlich ein hoher Bedarf an Expertenberatung. Wie könnte dieser besser gedeckt werden, als durch fachkundige und hilfsbereite Verkäufer?“, fragte Stüber in Bielefeld.

Indes: Gerade die negativen Erfahrungen mit Verkäufern bewegen überdurchschnittlich zum Online-Kauf. Mehr als jeder Fünfte kauft Elektronikprodukte online, da er sich im Ladengeschäft über uninformierte Verkäufer ärgert. Der eigentliche Vorteil eines stationären Händlers mit persönlicher Beratung zu punkten, wird hier sogar zum Nachteil. Eine schallende Ohrfeige mit klarer Botschaft: Das Auftreten der Verkäufer muss sich wandeln!

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit ^

Das gilt insbesondere für die nachwachsende Generation der Smart Natives: Für überdurchschnittlich viele Konsumenten sind die Verkäufer ein Grund, nicht im Ladengeschäft einzukaufen. Käufer von Elektroprodukten erwarten, dass Verkäufer im Ladengeschäft besser informiert sind (80 %), als sie selbst und sie von ihnen kompetent beraten werden (73 %).

Die Realität im Verkaufsgespräch ist jedoch aus Konsumentensicht eine andere. Nur für 65 bzw. 60 % der Befragten erfüllen die Verkäufer ihre Ansprüche an eine informative und kompetente Beratung! Die Lücke zwischen Ansprüchen der Konsumenten und aktueller Erfüllung durch die Händler ist – nicht nur im Bereich CE und Hausgeräte – groß. Und in vielen Fällen wird sie zukünftig noch größer werden, wenn die Händler nicht handeln.

Die Branchen im Realitätscheck.
Die Branchen im Realitätscheck.

Saturn Connect macht es vor ^

Was können Händler tun, um den Kundenansprüchen gerecht zu werden? Wie können sie Konsumenten in den Geschäften halten oder sie zurückgewinnen? Die Studie „Catch me if you can“ wagt eine Vision mit dem Ausblick in das Jahr 2025: Hausgeräte und CE werden auch 2025 Zielkaufobjekte sein, bei denen Konsumenten meist gut bis sehr gut vorabinformiert sind. Durch eine geringere Anzahl an Produkten auf der Fläche wird Platz geschaffen für klare Konzepte.

Ein Konzept hat auch einen Namen: Saturn Connect – mit klar abgetrennten Präsentationsbereiche für verschiedene Produktgattungen, die den Einkauf erleichtern, eine Fokussierung ermöglichen, die Überfrachtung der Konsumenten verhindern und das Einkaufserlebnis steigern sollen. Produkt-Präsentationen können in nachgestellten Wohnwelten stattfinden und Begehrlichkeiten wecken. Virtual Reality wiederum ermöglicht ein Erleben des Wunschprodukts in den eigenen vier Wänden.

Beim Kauf von Hausgeräten wünschen sich die Konsumenten vor allem eines: kompetente, informative und freundliche Beratung. Diese könnte binnen kurzer Zeit so aussehen: Im Beratungsgespräch mit einem Experten für das entsprechende Produkt werden die Inhalte auf den jeweiligen Konsumententyp abgestimmt, um jeden Kaufinteressenten in seinem spezifischen Bedürfnis abzuholen. Technisch versierte Smart Natives werden eben anders und detaillierter informiert, als Konsumenten, denen einfache, praktikable Erläuterungen wichtig sind. Für diese weniger Affinen können Händler mit zusätzlichen Services punkten. Ein „Rundum sorglos“-Paket aus Beratung, Lieferung, Installationsservice und Altgeräteentsorgung steigert die Zufriedenheit. Für die Guten der Branche ist das heute schon Standard.

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