Marktforschung

Neue Studie: Tristesse in der City

Diese Zahlen müssten auch den letzten Innenstadt-Akteur wachrütteln: Nahezu 20% der Deutschen gehen seltener als früher oder mitunter gar nicht mehr in die City.


Der Einzelhandel bleibt zwar der der Anziehungspunkt Nummer eins für die Innenstädte. Gleichzeitig zeigt sich aber, dass die Innenstädte durch die Corona-Einschränkungen der vergangenen beiden Jahre enorm gelitten haben und tiefe Spuren zurückbleiben. Das macht die zum Jahresende 2022 erschienene cima.monitor – Deutschlandstudie Innenstadt 2022 deutlich. Der Handelsverband Deutschland (HDE), der Deutscher Städtetag sowie der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordern gemeinsam ein stärkeres gesamtgesellschaftliches und politisches Engagement für die Stadtzentren und Ortskerne.

„Der Einzelhandel ist nach wie vor die Schlüsselbranche für die weitere Entwicklung der Innenstädte,“ HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.
„Der Einzelhandel ist nach wie vor die Schlüsselbranche für die weitere Entwicklung der Innenstädte,“ HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.

Wachsende Herausforderungen

Die aktuelle Studie offenbart die wachsenden Herausforderungen für die Stadt- und Ortszentren: So gaben nahezu 20% der Deutschen an, die Innenstädte weniger oder gar nicht mehr zu besuchen. Zudem zeigt sich eine große Lücke zwischen der Attraktivität des Einzelhandels (zieht 56% der Innenstadtbesucher an) und anderen Branchen oder Aktivitäten. So ziehen beispielsweise die Gastronomie oder öffentliche Grünflächen bisher nur 17% der Innenstadtbesucher an. Deshalb bleiben Bund, Länder sowie alle weiteren Innenstadtakteure aufgefordert, weiterhin für verbesserte Rahmenbedingungen für attraktive Innenstädte zu sorgen.

„Der Einzelhandel ist und bleibt aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger der Anziehungspunkt Nummer eins. Daher ist der Einzelhandel nach wie vor die Schlüsselbranche für die weitere Entwicklung der Innenstädte,“ so HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Dabei müsse aber auch festgestellt werden, dass diese Anziehungskraft in den Jahren vor den Krisen noch ein deutlich höheres Niveau hatte. Dennoch sticht der Einzelhandel aus allen weiteren Innenstadtfunktion positiv heraus, so dass die nachlassende Sogwirkung des Handels zunehmend Sorgen bereitet, da keine andere Funktion diese eins zu eins auszugleichen vermag.

Gefordert: „Mehr Grün und Blau“

„Innenstädte wandeln sich unablässig. Die Bürgerinnen und Bürgern erwarten mehr Vielfalt, Plätze zum Verweilen und für Begegnung, mehr Grünflächen, Gastronomie, Spiel, Sport, zum Wohnen und Arbeiten und das in hoher Qualität. Städte für Menschen, das ist unser Ziel“, ergänzt Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages.

„Die Studie unterstreicht, dass es vielfältiger Maßnahmen zur Stabilisierung unserer Innenstädte und Ortskerne bedarf. Neben attraktiven Einkaufsmöglichkeiten brauchen wir zukünftig mehr Grün und Blau in unseren Innenstädten, aber auch spannende Gastronomie-, Kultur- Bildungs- und Freizeitangebote. Nur mit einem vielfältigen Nutzungsmix schaffen wir lebenswerte Innenstädte, die zum Besuch und zum Verweilen einladen“, sagt Dr. Gerd Landsberg, Hautgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB).

Der Handel braucht neue Frequenzpartner

Noch im Jahr 2015 gaben mehr als drei Viertel der Befragten an, die Einkaufsmöglichkeiten der Innenstadt zu schätzen. In der aktuellen Befragung sind es nur noch rund 56%. Dass eine attraktive Innenstadt sich durch Einkaufsmöglichkeiten auszeichnet, geben insbesondere unter 30-Jährige immer seltener an – hier steht ein Minus von 35%, nur noch für 40% der befragten jüngeren Menschen spielt Shopping eine zentrale Rolle.

Die ältere Generation (50 Jahre und älter) bewertet die Einkaufsmöglichkeiten als deutlich wichtiger – 63% wünschen sich diese – aber auch hier steht im Vergleich zu den Vorjahren ein deutliches Minus von 12 Prozentpunkten. Die monofunktionale Ausrichtung von Innenstadtlagen auf den Handel scheint demnach kein probates Mittel mehr zu sein, um Besucher in die City zu locken. Auch die Fußgängerzone, die paradigmatisch für die Verortung des Innenstadthandels steht, hat in den Augen der Befragten an Bedeutung für die Attraktivität der Innenstadt verloren.

Die „Deutschlandstudie Innenstadt 2022“ legt offen, dass bei der Transformation der Innenstädte besonders großen Wert auf klimagerecht gestaltete Zonen zum Ausruhen und Verweilen gelegt werden sollte. Vor allem in den mittleren Altersgruppen spielen Grünflächen eine zentrale Rolle bei der Bewertung der Attraktivität der Innenstadt.

Wunsch: Größerer Mix an Angeboten

„In Anbetracht der vielfältigen Herausforderungen, vor denen unsere Städte und Gemeinden stehen, ist offenkundig, dass die monofunktionale Ausrichtung von Innenstadtlagen auf den Handel in Anbetracht sinkender Flächenbedarfe im Handel kein probates Mittel mehr ist, um Besucher in die City zu locken“, Roland Wölfel, Studienleitung und Geschäftsführer der CIMA Beratung + Management.
„In Anbetracht der vielfältigen Herausforderungen, vor denen unsere Städte und Gemeinden stehen, ist offenkundig, dass die monofunktionale Ausrichtung von Innenstadtlagen auf den Handel in Anbetracht sinkender Flächenbedarfe im Handel kein probates Mittel mehr ist, um Besucher in die City zu locken“, Roland Wölfel, Studienleitung und Geschäftsführer der CIMA Beratung + Management.

Zudem spiegelt sich in den vorliegenden Ergebnissen der Wunsch nach einem größeren Mix an Angeboten wider – von Coworking-Spaces über Gesundheitsdienstleistungen bis hin zu Bildungseinrichtungen. Zusammen mit den Konsummöglichkeiten des Einzelhandels – eine Ergänzung, die sicherlich eher geschätzt wird, wenn sich der Einzelhandel stark gegenüber dem E-Commerce profiliert und seinerseits digitale Services als Frequenzbringer für die Fläche vorantreibt.

Und: Verkaufsoffene Sonntage oder verlängerte Öffnungszeiten am Abend werden vor allem von den unter 30-Jährigen als wichtig bzw. sehr wichtig erachtet. Flexibilisierung sei hier gefordert, um Online und Offline in eine ausgewogenere Wettbewerbssituation zu bringen.

Der Tod des innerstädtischen Einzelhandels ist mit Blick auf die Akzentverschiebungen jedoch mitnichten eingeläutet. In den abgefragten „Zukunftsbildern“ hat die City als Einkaufsort immer noch einen prominenten Platz im Mindset der Bevölkerung (85%) – allerdings weniger bei den jüngeren Generationen.

Und ein klares Signal geht in Richtung Nachhaltigkeit: Sowohl mehr städtisches Grün (85,9%) als auch mehr Regionalität im Angebotsmix des Einzelhandels (82,2%) sind klare Erwartungen der Befragten an die Zukunft des innerstädtischen Erlebe.

Roland Wölfel, Studienleitung und Geschäftsführer der CIMA Beratung + Management: „Leider ist der Strukturwandel noch viel zu oft negativ konnotiert. In Anbetracht der vielfältigen Herausforderungen, vor denen unsere Städte und Gemeinden heute stehen, ist offenkundig, dass die monofunktionale Ausrichtung von Innenstadtlagen auf den Handel in Anbetracht sinkender Flächenbedarfe im Handel kein probates Mittel mehr ist, um Besucher in die City zu locken. Der Handel und Innenstädte brauchen dringend eine neue Verantwortungsgemeinschaft und zusätzliche Frequenzpartner.“

Gesucht: Ein neues Gleichgewicht

„In den City-Lagen braucht es mehr öffentliche Aufenthaltsräume mit entsprechenden Angeboten der täglichen Versorgung, Freizeit und Gesundheit“, Martin Kremming, Studienleitung und Geschäftsführer der CIMA Beratung + Management.
„In den City-Lagen braucht es mehr öffentliche Aufenthaltsräume mit entsprechenden Angeboten der täglichen Versorgung, Freizeit und Gesundheit“, Martin Kremming, Studienleitung und Geschäftsführer der CIMA Beratung + Management.

Herausfordernd bleibt die Frage, mit welchen Nutzungen und Angeboten die Lücke, die der Handel als Besuchsgrund hinterlässt, zu schließen ist. Hier sind Städte, Staat, Investierende und Unternehmen gleichermaßen gefordert. Martin Kremming, Studienleitung und Geschäftsführer der CIMA Beratung + Management GmbH, greift auf, was in Zeiten eines drohenden dauerhaften Besuchsverlusts diskutiert wird: „Ein neues Gleichgewicht muss her. Die Innenstadt als Lebensort rückt in den Fokus. In den City-Lagen braucht es mehr öffentliche Aufenthaltsräume mit entsprechenden Angeboten der täglichen Versorgung, Freizeit und Gesundheit.“


Die komplette Studie finden Sie hier.

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