Trotz fortschreitender Digitalisierung gewinnt der physische Handel wieder an Bedeutung. Insbesondere die Generation Z, die als erste vollständig digital sozialisierte Generation gilt, zeigt eine wachsende Hinwendung zu analogen Einkaufserlebnissen. Dies ist ein zentrales Ergebnis der Interviews mit dem belgischen Zukunftsforscher Herman Konings, die Conzoom Solutions, der Branchenhub der Messe Frankfurt, aufgearbeitet hat.
Digitalvertraut – und gleichzeitig techniksensibel
Die Generation Z ist mit digitalen Technologien aufgewachsen und bewegt sich selbstverständlich im digitalen Raum. Gleichwohl zeigt sie laut Konings eine zunehmende Skepsis gegenüber ständiger Verfügbarkeit und digitaler Reizüberflutung. Stattdessen rücken echte Begegnungen, soziale Interaktion und multisensorische Erfahrungen in den Mittelpunkt. Der stationäre Handel wird damit nicht als Alternative, sondern als notwendiger Ausgleich zur digitalen Welt wahrgenommen.
Kulturelle Prägekraft über die eigene Generation hinaus
Während jede Generation eigene Konsummuster aufweist, beeinflusst die Gen Z laut Konings den kulturellen Wandel besonders stark. Ihr Verhalten wirkt stilbildend auf ältere Zielgruppen. Händlerinnen und Händler sollten die Generation Z daher als „trojanisches Pferd“ verstehen – also als Zugang zu einem veränderten Konsumverständnis über Generationengrenzen hinweg.
Hyperphysical Retail: Multisensorik statt Technologie-Fokus
Ein zentrales Konzept, das Konings als Antwort auf diese Entwicklung beschreibt, ist Hyperphysical Retail. Gemeint ist ein stationäres Handelsumfeld, das nicht durch technologische Inszenierungen, sondern durch Atmosphäre, Materialität und emotionale Qualität überzeugt. Licht, Akustik, Haptik, Gerüche und gemeinschaftliche Erlebnisse sollen im Vordergrund stehen, während digitale Technologien dezent im Hintergrund agieren. Ziel ist es, Räume zu schaffen, die Orientierung bieten, emotional ansprechen und zur sozialen Interaktion einladen.
Rolle der Technik: Unterstützend, nicht dominant
Technologische Systeme wie KI-gestützte Analysen, moderne Kassensysteme oder CRM-Lösungen bleiben laut Konings unverzichtbar – sie sollen jedoch Prozesse erleichtern und nicht visuell dominieren. Zu viele Bildschirme, interaktive Oberflächen oder digitale Touchpoints können abschreckend wirken und den Wunsch nach Menschlichkeit im Einkaufserlebnis unterlaufen.
Kaufverhalten der Generationen im Überblick
Neben der Generation Z analysiert Konings weitere Generationen:
- Generation Alpha (2010–2025): Digital geboren, hohe intuitive Technikaffinität.
- Millennials (1981–1996): Nachhaltigkeitsorientiert, wertebasiert, technikaffin.
- Generation X (1965–1980): Hybride Einkaufsgewohnheiten, pragmatisch.
- Babyboomer (1946–1964): Kaufkräftig, genussorientiert, stationär erfahren.
- Silent Generation (ab 80 Jahren): Technikskeptisch, bevorzugt den stationären Handel.
Strategien im Handel müssen diese Differenzierungen berücksichtigen, um unterschiedliche Zielgruppen wirksam anzusprechen.
Erlebnis schlägt Effizienz: Neun Prinzipien für stationäre Relevanz
Herman Konings beschreibt neun „Wonders of Awe“, die emotionale Ankerpunkte im Store schaffen können. Dazu zählen:
- Naturelemente
- Humorvolle Details
- Spirituelle Rückzugsorte
- Kreative Installationen
- Gemeinschaftserlebnisse
- Überraschende Gestaltung
- Aha-Momente
- Soziales Engagement
- Klanginszenierungen
Diese Elemente sollen gezielt eingesetzt werden, um den physischen Handel als Ort der Inspiration und Zugehörigkeit zu stärken.
Fazit
Die Zukunft des stationären Handels liegt nicht in der Abgrenzung zur digitalen Welt, sondern in ihrer Ergänzung. Händlerinnen und Händler, die ihre Verkaufsflächen als multisensorische Erlebnisräume gestalten und digitale Technologien unaufdringlich integrieren, schaffen relevante und generationenübergreifende Kundenerlebnisse. Die Generation Z fungiert dabei als Impulsgeberin für einen neuen Handel, in dem Menschlichkeit und sinnliche Qualität wieder stärker in den Mittelpunkt rücken.
