Story

Schluss mit der Online-Hysterie: Warum die 9 Prozent im Laden wertvoller sind als jeder Klick-Rekord

Ein Kommentar

Lassen Sie uns ehrlich sein: Wenn man die nackten Zahlen des diesjährigen Black Friday betrachtet, möchte man als stationärer Händler am liebsten den Laden abschließen und den Schlüssel wegwerfen. 91 Prozent der Verbraucher jagen ihre Schnäppchen im Netz, nur kümmerliche 9 Prozent verirren sich laut aktueller EHI-Daten in die Fußgängerzonen. Dazu feiern Online-Giganten wie die Otto Group neue Rekorde, während die Gesamtprognosen für den Markt stagnieren.

Ist das das Ende? Ist der stationäre Handel beim größten Shopping-Event des Jahres nur noch eine statistische Randnotiz?

Ich sage: Nein. Wer nur auf diese Prozentzahlen starrt, übersieht die bemerkenswerte Resilienz, die sich in den Details verbirgt.

Denn während die reinen Online-Player um jeden Klick kämpfen müssen, zeigt ein Blick auf Verbundgruppen wie EURONICS, dass „Stagnation“ in wirtschaftlich turbulenten Zeiten eine echte Leistung ist. Wenn der Vorstand der Verbundgruppe, Benedict Kober, ein Ergebnis „etwa auf Vorjahresniveau“ prognostiziert, dann ist das keine Niederlage. In einem Jahr, in dem die Budgets der Kunden inflationsbedingt schrumpfen, ist das Halten der Umsatzlinie ein Beweis für enorme Kundenbindung.

Wir müssen aufhören, den Black Friday isoliert als reines Online-Schlachtfeld zu betrachten. Für den stationären Handel ist er längst etwas anderes geworden: Ein Ankerpunkt. Die Strategie von EURONICS zeigt das exemplarisch. Man nutzt den Hype nicht für den schnellen Abverkauf von Lagerware, sondern als Startrampe für das Weihnachtsgeschäft. Wenn am Cyber Monday die Kampagne mit Elton startet, ist das die Übergabe des Staffelstabs vom reinen Preis-Fokus hin zur Emotion.

Die 9 Prozent, die stationär kaufen, sind keine „Digitalverweigerer“. Es sind Kunden, die bewusst den Laden aufsuchen – für Beratung, für das sofortige Erlebnis, für die Sicherheit, das Produkt direkt mitzunehmen. Dieser Umsatz hat eine andere Qualität als der flüchtige Warenkorb-Klick, der mit einer Retouren-Wahrscheinlichkeit von fast 30 Prozent behaftet ist.

Der stationäre Handel stirbt nicht, er fokussiert sich. Er wird zur kuratierten Bühne in einer Welt der unendlichen digitalen Regale. Die Tatsache, dass Verbundgruppen ihre Umsätze stabil halten, während die Konsumlaune wackelt, zeigt: Die Menschen suchen nicht nur den billigsten Preis im Netz. Sie suchen, wie es EURONICS formuliert, Lösungen für ihre „Wünsche und Bedürfnisse“. Und die lassen sich manchmal eben doch am besten von Angesicht zu Angesicht erfüllen.

Der Black Friday 2025 lehrt uns also nicht, dass der stationäre Handel obsolet ist. Er lehrt uns, dass er sich seine Schlachten klug aussuchen muss. Nicht über die Masse, sondern über die Klasse der Kundenbeziehung. Und darin ist der Laden um die Ecke dem Algorithmus immer noch voraus.

Gabriel Wagner
Herausgeber infoboard.de

Gabriel Wagner

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