Die Akteure erwarten Komplikationen - wie die IFH-Studie zum „Recht auf Reparatur" zeigt. Grafik: IFH KÖLN
Bis spätestens 31. Juli 2026 muss die Europäische Richtlinie zum Recht auf Reparatur in deutsches Recht umgesetzt werden. Die EU-Richtlinie hat das Ziel, Elektroabfälle zu reduzieren und Ressourcen zu schonen. In Deutschland werden etwas weniger als die Hälfte der defekten Elektrogeräte der in der EU-Richtlinie erwähnten Produktgruppen (49%) nicht repariert.
Im Auftrag des Handelsverband Technik (BVT) und des Spezialversicherers und Fachhandelspartners Wertgarantie hat das IFH KÖLN die EU-Richtlinie aus Sicht von Verbrauchern, Herstellern, Fachhandel und Ersatzteilwirtschaft in Deutschland erstmalig empirisch untersucht und bietet damit einen 360°-Blick auf die Richtlinie und ihre Auswirkungen auf das Reparaturgeschehen.
Die Studie „Das Recht auf Reparatur: Anspruch, Umsetzung und Wirkung aus Perspektive der wichtigsten Akteure“ macht deutlich, dass das Recht auf Reparatur bei den Verbrauchern bisher noch wenig bekannt ist. Von den Verbrauchern, die schon einmal vom Recht auf Reparatur gehört haben (44%), weiß knapp ein Drittel (35%), worum es im Einzelnen geht. Bei den befragten Fachhändlern kennen 98% und bei den Herstellern 95% die EU-Richtlinie, im Detail informiert darüber sind im Fachhandel 55% und bei den Herstellern 95%.
„Wenn das Richtlinien-Ziel erreicht werden soll, müssen die Konsumenten besser über die praktischen Möglichkeiten und gesetzlichen Rahmenbedingungen informiert werden. Eine bundesweite Informationskampagne halten wir für sinnvoll, um das Bewusstsein für Reparaturen in Deutschland zu stärken und vorhandene Wissenslücken bei den Verbrauchern zu schließen“, erklärt Frank Schipper, Vorsitzender Handelsverband Technik (BVT).
Prinzipiell empfinden Fachhändler und Hersteller die Regelung rund um das Recht auf Reparatur als Chance, um etwa Kontaktpunkte zu Kunden zu erhöhen oder auch ihr Serviceangebot zu erweitern. Allerdings überwiegen für einen Großteil der Befragten aus diesen Gruppen die Herausforderungen die Chancen, die die Richtlinie mit sich bringt: So bewerten die in der Richtlinie geforderte Verlängerung der Gewährleistung nach erfolgter Reparatur 70% der Fachhändler und knapp zwei Drittel der Hersteller (63%) als schwierig. Über die Hälfte der Fachhändler (56%) und knapp ein Drittel der Hersteller (32%) befürchten einen Mehraufwand durch die engere Zusammenarbeit mit Reparaturpartnern.
Entscheiden sich Verbraucher dazu, ihr defektes Gerät (aus einer der in der EU-Richtlinie genannten Produktgruppen) reparieren zu lassen, gibt knapp die Hälfte (44%) an, dafür den Kundendienst des Herstellers zu nutzen und knapp ein Viertel (24%) den Fachhandel für Elektrogeräte. In Folge der Richtlinie gehen mehr als die Hälfte der Hersteller (56%) und des Fachhandels (52%) davon aus, dass ihr eigenes Reparaturvolumen steigen wird. Fast drei Viertel der befragten Fachhändler (74%) und knapp die Hälfte der befragten Hersteller (40%) äußern jedoch, mit den aktuell vorhandenen Ressourcen nicht oder nur teilweise auch ein größeres Reparaturvolumen umsetzen zu können.
„Die Studie zeigt deutlich, dass die wachsenden Reparaturwünsche der Kunden nur mit ausreichend qualifiziertem Personal erfüllt werden können. Handel und Industrie sind sich einig, dass der Fachkräftemangel eine der größten Herausforderungen bei der Umsetzung des Rechts auf Reparatur ist. Hier sehen wir Handlungsbedarf auch bei der Politik, die notwendige Aus- und Weiterbildung wirkungsvoll zu fördern“, so Frank Schipper.
Dieser Einschätzung stimmt auch Konrad Lehmann, Vorstand Wertgarantie, zu: „Bereits heute ist die Anzahl an Reparaturen für Fachhändler kaum zu bewältigen. Ohne qualifiziertes Personal wird dem steigenden Reparaturvolumen nicht nachzukommen sein“, erklärt Lehmann und sieht die politischen Handlungsträger in der Verantwortung: „Damit Unternehmen, insbesondere im Bereich des Fachhandels, die ohne Frage bestehenden Chancen des Rechts aus Reparatur nutzen können, ist jetzt die Politik gefordert. Es sind einerseits Ausbildungs- und Schulungsinitiativen notwendig und andererseits klare und einheitliche Rahmenbedingungen. Unterschiedliche Vorgaben auf Länderebene oder ein regulatorischer Flickenteppich würden unnötigen Aufwand erzeugen und für Verunsicherung sorgen.“
In Folge der Umsetzung der Richtlinie zum „Recht auf Reparatur“ gehen jeweils über 60% der Fachhandelsunternehmen (68%) und der Hersteller (63%) davon aus, dass die Kosten für eine Reparatur steigen werden. Hersteller und Fachhändler geben dafür ähnliche, teils aber unterschiedlich gewichtete Gründe an. So sehen Fachhändler unter anderem die Erhöhung der Preise für Ersatzteile durch Hersteller (68%), einen zusätzlichen Personalaufwand für Serviceleistungen (58%) und zusätzliche Kosten für die Lagerung von Ersatzteilen (52%) als wichtigste Gründe für steigende Reparaturpreise an. Die Mehrheit der befragten Hersteller sehen im zusätzlichen Personalaufwand für Serviceleistungen (92%), in zusätzlichen Kosten für die Lagerung von Ersatzteilen (83%) und in zusätzlichen Kosten durch die Vorhaltung von diesen (75%) die drei größten Preistreiber für Reparaturen.
Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass die Richtlinie potenziell zu erhöhten Reparaturpreisen führen und damit die mit ihr verbundenen Nachhaltigkeitsbemühungen wie die Reduzierung von Elektromüll konterkariert würde. Hier könnte es sinnvoll sein, auf nationaler Ebene Maßnahmen zu prüfen und zu erarbeiten, um mögliche Teuerungen abzumildern und die Reparaturbereitschaft weiterhin zu fördern“, so Dr. Ralf Deckers, Bereichsleiter Strategic Insights & Analytics und Mitglied der Geschäftsleitung IFH KÖLN.
Die Studie kann hier kostenfrei heruntergeladen werden.
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