Die zunehmende Direktvertriebsstrategie (Direct-to-Consumer, kurz D2C) von Herstellern wie SharkNinja verändert die Handelslandschaft spürbar. Immer mehr Produzenten setzen darauf, ihre Produkte direkt an Endkunden zu verkaufen – sei es über eigene Onlineshops, Marktplätze oder stationäre Markenstores. Für den klassischen stationären Handel bringt diese Entwicklung sowohl neue Chancen als auch erhebliche Herausforderungen mit sich. Einerseits können Händler von einer stärkeren Markenpräsenz und erhöhter Nachfrage profitieren, andererseits drohen Umsatzverluste, wenn Hersteller den direkten Kundenkontakt nutzen, um den Zwischenhandel zu umgehen. Hieraus ergeben sich für den traditionellen Händler Vor- und Nachteile, die wir näher beleuchten wollen.
Teil 2
Zunächst die Chancen
Zusätzliche Nachfrage und Markenbuzz: Durch aggressive Online-Kampagnen, virale TikTok-Trends und Influencer-Hypes steigt die allgemeine Markenbekanntheit. Produkte von SharkNinja sind in aller Munde – oder auf aller Timeline. Das kann auch den stationären Abverkauf ankurbeln, wenn Kunden nach dem Online-Hype im Laden nach dem Gerät fragen. Fachhändler könnten vom Buzz profitieren, indem sie trendige Produkte vorrätig haben und die Neugierde der Kunden direkt in Kaufabschlüsse ummünzen. Immer vorausgesetzt, dass die Marge stimmt und dieser Effekt die gewünschten Zahlen liefert.
Omnichannel-Kooperationen: Hersteller-D2C und Handel schließen sich nicht aus – sie können sich ergänzen. Denkbar sind Modelle, in denen der lokale Händler als Showroom oder Servicepunkt für die Marke fungiert. Zum Beispiel könnten Kunden online beim Hersteller bestellen, aber das Produkt beim nächstgelegenen Fachhändler abholen („Click & Collect“) oder dort live ausprobieren, bevor sie entscheiden. Solche Kooperationen schaffen Win-Win-Situationen: Der Kunde bekommt nahtlose Auswahl, der Händler partizipiert am Online-Umsatz und der Hersteller erreicht eine bessere Marktabdeckung. Studien zeigen, dass Omnichannel-Kunden besonders kaufkräftig sind – sie geben pro Einkauf mehr aus als reine Online- oder Offline-Kunden. Wenn Hersteller und Händler Daten und Kundenkontakte teilen, können beide Seiten davon profitieren.
Profilierung über Service: Je mehr Standardverkäufe ins Internet wandern, desto mehr kann sich der stationäre Fachhandel über Servicequalität differenzieren. Persönliche Fachberatung, Geräteeinweisung, Reparaturservice oder auch attraktive Bundles (z. B. Vorführung des Ninja-Küchengeräts inklusive Kochkurs) schaffen Mehrwert, den ein Webshop so nicht bietet. Händler haben die Chance, sich als Erlebnis- und Kompetenzzentrum rund um die Produkte zu positionieren – das stärkt die Kundenbindung trotz D2C-Konkurrenz.
Doch es gibt auch deutliche Risiken
Umsatzverlust und Disintermediation: Jeder Direktverkauf des Herstellers ist potenziell ein entgangener Verkauf für den Handel. Wenn Kunden vermehrt direkt bei SharkNinja kaufen – sei es wegen exklusiver Online-Angebote, Rabattaktionen oder schlicht aus Bequemlichkeit – bleiben die Kassen der Händler leer. Die klassischen Vertriebsstufen drohen umgangen zu werden (Disintermediation). Besonders gefährlich: Sollte SharkNinja seine Preise im eigenen Webshop senken oder exklusive Bundles anbieten, geraten Händler preislich unter Druck.
Showrooming-Effekt: Viele Kunden könnten Geschäfte nur noch als Showroom nutzen – das Produkt vor Ort anschauen, beraten lassen, aber anschließend online beim Hersteller bestellen (oft gelockt durch Gutscheine oder Influencer-Discountcodes). Dieser Trend des Showrooming ist kein neues Phänomen, bekommt durch aggressive D2C-Angebote aber neue Nahrung. Studien beziffern seit Jahren den Anteil der Konsumenten, die im Laden gucken und online kaufen, auf rund die Hälfte – Tendenz im digitalen Zeitalter steigend. Für Händler heißt das: Sie übernehmen Beratungsarbeit und Kosten, der Umsatz wandert jedoch zum Hersteller ab.
Daten- und Kundenverlust: Im Direktvertrieb sammelt SharkNinja wertvolle Kundendaten (Kaufhistorie, Adressen, Nutzungsverhalten via App etc.). Diese Daten verbleiben beim Hersteller und fehlen dem Händler für Marketing und Kundenbindung. Langfristig baut der Produzent eine eigene Kundenbeziehung auf (Newsletter, Service-Communities, Zubehörverkauf direkt), während der Händler zum bloßen Transaktionsort degradiert würde. Der Fachhandel läuft Gefahr, den direkten Draht zum Endkunden zu verlieren.
Abhängigkeit und Sortiment: Sollte SharkNinja im Extremfall beschließen, in Zukunft ausschließlich direkt zu verkaufen, stünden viele Händler vor leeren Regalen – zumindest was diese Marke angeht. Zwar ist das Szenario derzeit hypothetisch, aber jedes Prozent mehr D2C-Anteil erhöht die Abhängigkeit der Händler von der Gunst des Herstellers. Einige könnten reagieren, indem sie alternative Marken stärker fördern. Doch im Premiumsegment gibt es oft nur wenige gleichwertige Alternativen, sodass Händler an Attraktivität verlieren, falls ein Top-Lieferant wegfällt.
Die größte Herausforderung besteht also darin, die Balance zu halten: SharkNinja will vom Direktvertrieb profitieren, ohne seine bewährten Verkaufspartner völlig vor den Kopf zu stoßen. Wie aber soll der Fachhandel reagieren?
Wie der Fachhandel auf die D2C-Entwicklung reagieren kann
Angesichts der beschriebenen Risiken ist strategisches Handeln seitens der Fachhändler gefragt. Hier einige Ansatzpunkte, wie der Elektrofachhandel auf die D2C-Offensive von SharkNinja (und auch anderen Herstellern) reagieren könnte:
- Aktive Partnerschaft suchen: Händler sollten proaktiv den Dialog mit SharkNinja suchen, um neue Kooperationsmodelle auszuloten. Zum Beispiel könnten sie sich als lokale Service-Hubs anbieten – etwa für Vorführungen, Installation oder Wartung der Geräte – wofür der Hersteller eine Provision zahlt oder Kunden an den Handel zurückverweist.
- Omnichannel-Kompetenz ausbauen: Die meisten Fachhändler haben inzwischen eigene Webshops oder sind Teil von Händlerverbünden mit Online-Plattform. Diese gilt es zu stärken. Wer als lokaler Händler online gut sichtbar ist und vielleicht in Echtzeit die Verfügbarkeit im Ladengeschäft anzeigen kann, bindet auch digital affine Kunden. Wichtig ist, Online- und Offline-Angebot zu verzahnen.
- Service und Beratung als USP: Intensiver denn je sollten Händler auf Exzellenz im Kundenservice setzen. Das Verkaufsgespräch muss Mehrwert liefern gegenüber einer KI-Chatbot-Beratung – persönliche Empathie, Fachwissen und individuelle Tipps.
- Exklusive Angebote und Sortiment: Fachhändler könnten mit Herstellern verhandeln, bestimmte exklusive Modelle oder Bundles zu erhalten, die online so nicht verfügbar sind.
- Allianzen bilden: Die Herausforderung D2C betrifft viele Händler gleichermaßen. Ein Schulterschluss innerhalb von Verbundgruppen kann den Druck auf Hersteller erhöhen, faire Spielregeln einzuhalten.
Lehren aus SharkNinjas Vorgehen: Was Hersteller und Händler mitnehmen können
Für Hersteller: SharkNinja demonstriert, wie man moderne Kanäle erfolgreich nutzt, um eine Marke zu pushen. Investitionen in Social Media, Influencer und innovative Beratungstools können den Umsatz deutlich steigern. Andere Hersteller können daraus lernen, mutig neue Vertriebswege zu erschließen – sei es TikTok-Shopping, Live-Commerce oder KI-gestützte Online-Beratung. Allerdings zeigt der Fall Nike, dass man die Balance halten muss: Nike hatte seinen Direktanteil stark ausgebaut und manchen Fachhändler vor den Kopf gestoßen – mit der Folge, dass wichtige Partner absprangen und Nike letztlich einen Teil seiner „Überfokussierung auf Direct“ als Fehler einräumte.
Für Händler: SharkNinjas Strategie ist ein Weckruf an den Fachhandel, agiler und digitaler zu werden. Wegducken gilt nicht – Hersteller werden auch künftig verstärkt D2C gehen. Händler müssen also ihr Profil schärfen und sich fragen: Was kann ich besser als der Hersteller direkt? Wo kann ich unverzichtbar bleiben in der Wertschöpfungskette?
Für beide Seiten: SharkNinja zeigt, dass der Kunde am Ende dort kauft, wo Preis, Komfort und Erlebnis stimmen. Hersteller und Händler sollten sich gemeinsam darauf konzentrieren, dem Kunden ein nahtloses Best-of-Both-Worlds-Erlebnis zu bieten.
Fazit: Thesen zur Zukunft des Fachhandels im D2C-Zeitalter
These 1: Fachhandel wird zum Erlebnis-Anker
These 2: Kooperation statt Konfrontation
These 3: Spezialisierung und Nische als Rettungsanker
These 4: Digitalisierung entscheidet über die Wettbewerbsfähigkeit
These 5: Der Kunde sitzt am längeren Hebel
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