Bild: Gemini
Dieser Kampf um das “Default”-Gateway ist keine Nostalgie der 90er Jahre; er ist aktueller denn je. Wir erleben ihn in diesem Moment (Ende 2025) live in seiner brutalsten Form: Tech-Giganten investieren Milliarden, um ihre generativen KIs (wie ChatGPT, Gemini oder Copilot) direkt in die Browser zu integrieren oder sie selbst zum neuen, sprachgesteuerten “Browser” für das gesamte Internet zu machen. Sie alle kämpfen um dieselbe Krone: die Hoheit über den primären Zugangspunkt des Nutzers. Denn wer die Schnittstelle besitzt, besitzt den Kunden und kontrolliert alle nachfolgenden Transaktionen.
Exakt nach diesem Muster – dem Kampf um die Schnittstelle – verlagert sich das Schlachtfeld nun auch seit längerem physisch in unsere Küchen, Keller und Hauswirtschaftsräume. Die smarte Waschmaschine ist das neue “Windows”. Die Hersteller-App (Home Connect, Miele@home) ist der neue “Internet Explorer”, der bereits im Betriebssystem des Geräts vorinstalliert ist und den Kunden bei der Inbetriebnahme subtil an das eigene Ökosystem bindet.
Und die Branche? Sie verhält sich in weiten Teilen wie ein klassischer Hardware-Hersteller, der noch 1995 glaubt, der Wert stecke in der CD-ROM, die er verkauft. Sie hat noch nicht vollständig akzeptiert, dass das physische Produkt – der Stahl, das Glas, der Kompressor – zur reinen “Vorkasse” geworden ist. Es ist das subventionierte Lockmittel, der “Trojaner”, um den Kunden in das eigentliche Geschäftsmodell zu ziehen: das Ökosystem.
Der Treibstoff dieses Ökosystems ist der wertvollste Rohstoff des 21. Jahrhunderts: die Kundendaten. Und hier bricht der nächste, fundamentale Konflikt auf: Wem gehören sie? Dem Fachhändler, der den Erstkontakt hatte, die Beratung und die (oft komplexe) Installation als Dienstleistung erbracht hat und den Kunden real in seiner lokalen CRM-Datenbank pflegt? Oder gehören sie dem Hersteller, dessen IoT-Plattform (App) der Kunde bei der WLAN-Einrichtung per schnellem AGB-Klick zugestimmt hat – und der nun jeden Waschgang, jeden Filterwechsel und jeden Defekt in Echtzeit ausliest?
Wir alle spielen ein strategisches Theaterstück. Die Hersteller lancieren globale D2C-Shops, wahren aber (noch) penibel die UVP-Stabilität. Das ist kein Freundschaftsdienst an den Handel. Es ist ein strategischer “Preis-Anker”, der den Markt beruhigen und den Handel davon abhalten soll, revoltartig die Marke auszulisten. Währenddessen greifen die Hersteller über ihre D2C-Portale und Registrierungs-Aufforderungen den wertvollsten Rohstoff ab: die Endkundendaten.
Parallel rüsten die Verbundgruppen (die “Netscapes” der Branche) ihre eigenen Omnichannel-Plattformen auf. Sie preisen den “lokalen Service” und die “markenunabhängige Beratung” als unschlagbaren USP. Es ist ein Versuch, einen eigenen “Browser” zu etablieren, der gegen die Marktmacht der “Windows”-Hersteller ankämpft.
Das ist ein Scheinfrieden. In Wahrheit ist das physische Gerät das “Lock-in-Device”. Sein einziger Zweck ist es, den Kunden in das profitabelste Ökosystem zu ziehen: den After-Sales-Markt.
Warum dieser ganze Aufwand? Weil die Marge nicht im Gerät liegt, sondern in dem, was danach kommt. Die Branche hat die “Razor and Blades”-Strategie (Rasierer & Klingen) perfektioniert.
Der wahre Preis ist nicht der Erstkauf des Kaffeevollautomaten mit 8% Marge. Der wahre Preis ist das Abo für den Wasserfilter mit 80% Rohertrag. Es ist der Spezial-Entkalker, der über proprietäre Barcodes (DRM) vor billigen Nachbauten geschützt wird. Es ist das teure Spezial-Backblech (beworben via Instagram-Rezept), das nur über den D2C-Kanal vertrieben wird. Der smarte Kühlschrank mit “Filter jetzt nachkaufen”-Button in der App ist die ultimative Waffe zur Sicherung dieses Customer Lifetime Value (CLV).
Der “Browser-Krieg” der Branche wird darüber entschieden, wessen App der Kunde im Servicefall öffnet. Die Hersteller investieren Milliarden in “Predictive Maintenance” (IoT), um den Defekt zu melden, bevor der Kunde den Händler anrufen kann. Die Push-Nachricht “Problem erkannt. Ein Miele-Techniker kann nächste Woche kommen.” ist die Waffe zur finalen Disintermediation des Handels. Wie aktuelle IFH/BVT-Studien belegen, gehen bereits fast 45 % der Reparaturaufträge direkt an den Hersteller – Tendenz rasant steigend.
Die “goldenen Handschellen” der Remote-Diagnose, die man dem Handel als “Effizienz-Tool” anbietet, sind ein faustischer Pakt. Sie versprechen dem Händler-Techniker eine höhere “First Fix Rate”, doch der Preis ist die totale Integration in das Hersteller-Ökosystem. Der Händler wird zum zertifizierten, aber abhängigen Erfüllungsgehilfen.
Der Fachhandel, der heute noch glaubt, er verkaufe primär Hardware, ist der “Netscape” von morgen: strategisch tot. Er wird zum reinen “Box Mover” degradiert, während die Marge im Ökosystem der Hersteller oder (schlimmer) bei Amazon landet.
Für den Händler, der diesen Zangengriff überleben will, spiegeln sich diese Meta-Konflikte in fünf täglichen Kämpfen an der Front (dem POS) wieder:
Und während sich die etablierten Akteure in diesem “Tanz” um die Schnittstelle belauern, greifen die wahren Plattform-Ökonomen das System frontal an:
Die Branche muss sich entscheiden: Sind wir Rohstoff-Lieferanten, die ängstlich auf den nächsten GfK-Index starren und Stahl zu Kisten verarbeiten? Oder sind wir Ökosystem-Architekten, die endlich verstehen, dass der Kampf um die Hardware vorbei ist und der Kampf um den Customer Lifetime Value gerade erst begonnen hat?
Der Händler, der sich weiter als reiner “Box Mover” versteht, ist Kollateralschaden in diesem Krieg. Der Hersteller, der glaubt, er könne den Handel komplett umgehen, wird an der “letzten Meile” scheitern. Der Gewinner wird sein, wer die Schnittstelle zum Kunden am intelligentesten besetzt – sei es mit der besten App, dem schnellsten Techniker, dem besten Service oder dem fairsten Filter-Abo.
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