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IFA – Jagdrevier für Pokémon Monsterjäger?

Durchaus realistisch: Pokémon-Jäger könnten die Gänge in den Messehallen blockieren, einen Besucherstau auslösen. Auch die Gefahr, dass leidenschaftliche Pokémon-Jäger bei ihrer Jagd nach den Monstern und beim permanenten Glotzen auf ihre Smartphones vielleicht den einen oder anderen Messebesucher anrempeln, ist nicht ausgeschlossen.

Gegenüber infoboard.de erklärte die Messe Berlin, sie werde keine Lockmodule aussenden. Aber so weit wie die Messe Gamescom, die Pokémon Go Aktivitäten auf ihrem Kölner Messegelände komplett verbot, will die IFA nicht gehen.

Was geschieht nun, wenn einige Aussteller Pokémon Go in ihr Messemarketing integrieren? Sie tun dies ziemlich sicher, nicht um den Handel zu adressieren, sondern eher um verstärkt Endverbraucher auf sich aufmerksam zu machen. Der Weg dazu ist ganz easy: Einfach nur Lockmodule an den entsprechenden Pokéstops platzieren. Und davon gibt es einige auf dem Messegelände, beispielsweise am Funkturm, im Sommergarten oder im Norden des Messegeländes beim Palais.

Pokéspots Umfeld IFA
Pokéspots im Umfeld der IFA

Tritt nun unser skizziertes Szenario tatsächlich ein, dann erlebt der Handel besten Anschauungsunterricht, wie effektiv die App fürs eigene Marketing wirkt.

Für all diejenigen, die noch nicht so vertraut mit Pokémon Go sind, hat infoboard.de Autor Frank Feil die wesentlichen Fakten zusammengetragen. Ferner zeigt er Möglichkeiten auf, wie der Handel von der App profitieren kann.

Ein Blick zurück ins Jahr 1996 ^

Wir schreiben das Jahr 1996. In Japan erscheint das erste Spiel der Pokémon-Reihe für den Game Boy – und mit einem Mal sind die „Taschenmonster“ in aller Munde. Die Welt ist im Pokémon-Fieber. Jeder will Pikachu und seine Artgenossen fangen, sammeln und trainieren. Es folgen weitere Spiele, eine Fernsehserie, 18 Kinofilme und eine Vielzahl von Merchandising-Produkten, bis das Interesse der breiten Masse irgendwann schwindet.

20 Jahre später, am 6. Juli 2016, veröffentlicht das Software-Unternehmen Niantic dann das Spiel „Pokémon Go“. Im Gegensatz zu früheren Versionen ist die App kostenlos und für die Smartphone-Plattformen Android und iOS verfügbar. Von einem Tag auf den anderen grassiert das Pokémon-Fieber wieder – und diesmal kann vor allem der stationäre Einzelhandel von dieser Entwicklung profitieren.

Pokémon Go nutzt den Standort des Spielers ^

Während 1996 die ersten Pokémon auf dem Game Boy in heimischen Kinder- oder Wohnzimmern gefangen wurden, handelt es sich bei Pokémon Go um eine Location-based App: Der Spieler wird auf einer virtuellen Landkarte platziert, die allerdings stets das Abbild seiner realen Umgebung ist. Um sich in der Spielwelt zu bewegen, müssen die Monsterjäger dieselben Strecken auch in der echten Welt zurücklegen. Der aktuelle Standort wird dabei permanent über das GPS-Modul des Smartphones ermittelt.

Das Ziel von Pokémon Go ist es, so viele Monster wir möglich einzufangen. Diese werden vom Spielserver nach dem Zufallsprinzip auf der virtuellen Landkarte erzeugt. Je weiter der Spieler herumkommt, desto mehr Pokémon kann er fangen, sammeln und trainieren. Zur Pokémon Go-Welt zählen darüber hinaus noch die Pokéstops, an denen die Monsterjäger die notwendigen Spielgegenstände erhalten, sowie die Arenen, in denen sie gegen andere Spieler antreten können.

Nur was hat das alles mit dem Einzelhandel zu tun?

Pokémon-Jäger treibt es in die Innenstädte ^

Laut den Marktforschern von YouGov haben allein in Deutschland etwa 7,7 Millionen Menschen (11 Prozent der Gesamtbevölkerung) Pokémon Go seit der Markteinführung im Juli auf ihrem Smartphone installiert. 7,1 Millionen haben die App in den vergangenen Wochen noch immer genutzt. Das macht deutlich, dass es sich bei Pokémon Go keineswegs um einen vorübergehenden Hype handelt. Auch die Annahme, dass ausschließlich Kinder und Jugendliche zu den Spielern zählen, ist falsch: 41 Prozent der Pokémon Go-Nutzer ist zwischen 18 und 24 Jahren alt, mehr als ein Drittel sogar über 35.

Aufgrund der „Mechanik“ des Spiels sind all diese Pokémon-Jäger gezwungen, das heimische Sofa zu verlassen und sich auf dem Weg zur Arbeit oder bei abendlichen Wanderungen auf die Suche nach den begehrten Monstern zu machen. Ihr Weg führt sie dabei nicht selten in die Innenstädte, wo gerade an Wochenenden zum Teil hunderte von Spielern am selben Ort – meist an Pokéstops oder Arenen – anzutreffen sind.

Einzelhändler, Restaurants und Marken können diesen Effekt durch geschicktes Marketing nutzen, um ihren Umsatz und Bekanntheitsgrad zu steigern. Sabine Hagmann, die Hauptgeschäftsführerin des Einzelhandelsverbands Baden-Württemberg, spricht gar von einer „Riesenchance für den Einzelhandel“. Die Möglichkeiten, Pokémon Go im Marketing einzusetzen, sind dabei vielfältig:

  • Mercedes und seine Vertriebspartner setzen in den Showrooms sogenannte Lockmodule ein, die Pokémon – und damit auch deren Jäger – anziehen.
  • selbiges Prinzip hat sich auch eine Pizzeria in New York zunutze gemacht und damit den Umsatz um 70 Prozent gesteigert. Denn wer auf Jagd geht, muss irgendwann auch essen.
  • McDonalds hat in Japan 3000 Restaurants mit PokéStops und Arenen ausgestattet und die Verkäufe dadurch um 27 Prozent gesteigert.
  • ein Restaurant in Vaihingen an der Enz in der Nähe von Stuttgart gibt an bestimmten Tagen 10 Prozent Rabatt, wenn Pokémon-Spieler dort einkehren.
  • bei Nordsee mussten die Monsterjäger am Wochenende ihr Profil in der App vorzeigen, um kostenlos ein Baguette zu erhalten.
  • insbesondere Elektronikhändler nutzen das Pokémon-Fieber, um damit gezielt bestimmte Smartphone-Modelle und Akkupacks zu verkaufen.

So kann der Einzelhandel Pokémon Go für sich nutzen ^

Der mediale Hype der vergangenen Wochen hat viele Werbeagenturen auf den Plan gerufen, die kurzerhand Pokémon Go-Marketing-Strategien in ihr Portfolio aufgenommen haben. Das mag für Großunternehmen durchaus interessant sein, aber gerade Einzelhändler können die Sache auch problemlos selbst in die Hand nehmen.

Die einfachste Methode, die Aufmerksamkeit der Spieler auf ein bestimmtes Geschäft zu lenken, sind die sogenannten Lockmodule. Diese kann jeder für 99 Cent kaufen und einsetzen. Dadurch erhöht sich 30 Minuten lang die Anzahl der Pokémon am jeweiligen Ort – und damit natürlich auch die Anzahl der Jäger, die diesen Ort aufsuchen. Auf einmal kommen potentielle Kunden in den Laden, die das Geschäft normalerweise nie betreten hätten. Selbst wenn diese nicht gleich etwas kaufen, bleibt ihnen der Ort positiv in Erinnerung. Der Bekanntheitsgrad steigt. Der einzige Haken an der Sache: Lockmodule können nur in der Nähe von Pokéstops eingesetzt werden. Eine ausführliche Anleitung zur Verwendung von Lockmodulen findet sich bei Landgard. Sollte kein Pokéstop vorhanden sein, bleibt Händlern die Möglichkeit, mit Rabatten und besonderen Angeboten für Pokémon-Jäger zu arbeiten.

Freilich kann nicht jeder den Hype um Pokémon Go nachvollziehen. Manch einer mag ihn vielleicht sogar für albern halten. Nichtsdestotrotz müssen sich insbesondere Einzelhändler des Potentials von Location-based Apps für ihre stationären Geschäfte bewusst werden. Je früher, desto besser.

Es wird nicht mehr lange dauern, bis nicht nur Großunternehmen wie McDonalds, sondern auch kleinere Unternehmen Pokéstops und Arenen für ihre Filialen kaufen können. Und das ist erst der Anfang. In naher Zukunft werden weitere Location-based Apps dazu kommen und die Werbewelt nachhaltig verändern. Es lohnt sich, diesem Thema schon jetzt die gebotene Aufmerksamkeit zu widmen.

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